Projekt KIEZATLAS der Internetwerkstatt Netti

In Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt Tempelhof-Schöneberg (Jugendamt) hatte der Verband für sozial-kulturelle Arbeit im Rahmen einer Qualifizierungsreihe zur Sozialraumorientierung eine interaktive Datenbank zur sozialen und kulturellen Infrastruktur von Schöneberg-Nord aufgebaut. Über einen Passwort-geschützten Zugang konnten Einrichtungen ihre eigenen Informationen (Selbstdarstellung, Programme etc.) veröffentlichen und über eine grafische Stadtteilkarte aufgefunden werden.

Das Projekt Kiezatlas sollte nun als dessen Fortführung und Weiterentwicklung unter Miteinbeziehung von Jugendlichen und aller Akteure im Sozialraum eine breite Beteiligung bekommen. Die Idee, neben Einrichtungen auch Gewerbetreibende mit aufzunehmen, hatte u.a. den Hintergrund, das vielfältige Angebot den BewohnerInnen bekannt und dessen Nutzung noch attraktiver zu machen: wenn z.B. der Bäcker durch die Jugendlichen erfährt, dass es im Kiezatlas Informationen über Angebote für Kinder, SeniorInnen etc. gibt, kann er selbst seinen Kunden bei Einkaufsgesprächen, die ja auch oft Alltagsfragen betreffen, auf den Kiezatlas hinweisen.

Jugendliche wurden über Flyer oder direkte Ansprache in der Internetwerkstatt oder anderen Einrichtungen (z.B. Café Pink, Outreach, Medienzentrum Clip, Riesengebirgsschule) über das Projekt Kiezatlas informiert. Neben Einführungsveranstaltung und extra Angeboten zum Thema Datenbanken und Bildbearbeitung für Jugendliche gab es an Wochenenden und in den Oster- und Sommerferien zusätzliche Kiezatlas-Aktionen im Netti.

Alle teilnehmenden Jugendlichen erhielten einen Ausweis, der ihnen und den anderen Beteiligten (z.B. den Geschäften) die Sicherheit vermittelte, dass es sich um eine ernsthafte Aktion handelte.

Darüber hinaus gab es für die StadtteilreporterInnen blaue Mappen, die mit Informationen, Fragebögen und Quittungen für die Gewerbetreibenden, mit Stiften und leere Blättern (um zusätzliche Informationen
aufschreiben, wie z.B. Folgetermine zum Abholen der Fragebögen) und einem Stadtplan von Schöneberg-Nord bestückt waren und einer Digital-Kamera, um die geworbenen Geschäfte zu fotografieren.

Bevor die Jugendlichen die potentiellen Kunden aufsuchten, haben sie mit uns (KollegInnen aus dem Netti) geübt, die Idee des Kiezatlas zu „verkaufen“. Dabei zeigte sich, dass den sonst zurückhaltenden Mädchen einfacher fiel, sich in dieser Form der Ansprache, Kommunikation zu äußern. Die erfassten Gewerbe zahlten für Ihren Internetauftritt im Kiezatlas einmalig eine kleine Gebühr (4 Euro), von der die Hälfte als Taschengeldzuschuss bei den Jugendlichen Stadtteilreportern blieb.

Die Jugendlichen trugen alle Informationen über die von ihnen geworbenen Geschäfte und das dazu gehörige Foto in die Datenbank ein.

 

Erfahrungen aus der „Pilotphase“

Durch die reale Kiez-Begehung der Jugendlichen auf der einen und dessen visuelle Darstellung auf der anderen Seite wurde der Sozialraum aufs neue geschaffen und nachhaltig geprägt. Die grafische Präsentation der Atlas-Einträge diente nicht einfach der objektiven Datenwiedergabe, sondern führt dem Benutzer ganz direkt lokale Zusammenhänge vor Augen und schafft damit die Möglichkeit einer Wiederentdeckung des Kiezes. Nicht die bloße Datensammlung stand also im Vordergrund, sondern das aktive lokale Handeln und visuelle (Wieder-)Erkennen der eigenen Umgebung.

Die Jugendliche erkundigten den Stadtteil auch "hinter den Kulissen" und dokumentierten ihn mit einer Digitalkamera aus ihrer Sicht, lernten weitere nutzwertorientierte Möglichkeiten des Internets kennen (z.B. Recherche, Datenbank-Anwendungen), die über das alltägliche Chatten und Surfen hinausgingen, nahmen Kontakt zu potenziellen Arbeitgebern auf und verdienten sich dazu auf legale Weise ein zusätzliches Taschengeld. Die Jugendliche konnten ihre Fähigkeiten und Stärken einbringen und auch ohne Computer-, Internetkenntnisse durch ihre Kontaktfähigkeiten zum Erfolg des Projektes beitragen und ihre sozialen Kompetenzen erweitern. Die Jugendlichen erhielten durch ihren Einsatz Anerkennung von anderen Jugendlichen und von den Gewerbetreibenden und konnten ihre Fähigkeiten in der Kommunikation und Medien-, Internetkompetenz erweitern. Darüber hinaus haben sie teilweise zum ersten mal einen Stadtteil mit Hilfe eines Stadtplans erkundet und mussten sich an die vorgegebenen Grenzen des Sozialraum Schöneberg-Nord halten.

Es stellte sich als schwieriger heraus, Jugendliche aus anderen Kooperationsprojekten zu finden und zu beteiligen. Ein Grund war, das KollegInnen ihrer Zielgruppe nicht zutrauten, das Angebot durchzuführen. Allerdings haben wir die Erfahrung gemacht, dass mit dieser Aussage gemeinte Jugendliche sehr wohl in der Lage waren sich erfolgreich an dem Projekt zu beteiligen.
Zusätzlich positiv war die Bereitschaft vieler (kleiner) Geschäfte, Informationen über Ausbildungs-oder Praktikumplätze und Ferienjobs zu Verfügung zu stellen.

Dank des Programmierers der Software auf Open-Source-Basis und den von uns erstellten Handbüchern ist es gelungen, ein Angebot zu schaffen, das kostenlos und einfach in der Anwendung zur Verfügung gestellt werden kann. Inzwischen wird der Kiezatlas für alle Sozialräume in Tempelhof-Schöneberg und in Friedrichshain-Kreuzberg eingerichtet.


Am 10.11.2004 hat Kiezatlas eine "Best Practice"-Ernennung beim
Wettbewerb Erste Wege ins Netz erhalten.